Theatergemeinde
München

Thea fragt

Kultur und Geschlechter

Welche Rolle spielt das Geschlecht im Kulturbereich im Arbeitsalltag und Umgang miteinander? Wie wird damit auf der Bühne umgegangen?


Sinem Gökser

Sie studierte Orientalistik, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München und ist in der Pasinger Fabrik verantwortlich für Theater und Literatur sowie Social Media.

Foto: Sinem Gökser

Welche Klassiker sprengen Geschlechterklischees?
„Die Töchter Egalias“ aus dem Jahr 1977 (meinem Geburtsjahr) von der Norwegerin Gerd Brantenberg ist womöglich nicht der klassische Klassiker und eher unbekannt, aber ein wunderbarer Roman, der in unserer Welt bestehende Stereotypen und Genderrollen auf den Kopf stellt und dem Patriarchat den Spiegel vorhält.

Welche Rolle spielt Sprache für Geschlechtergerechtigkeit?
Die Sprache ist sehr wichtig! Eine geschlechtergerechte Sprache bringt die Gleichbehandlung aller Geschlechter/Identitäten zum Ausdruck. Auch wenn das Gendern anfangs eine Umstellung bedeutet hat, ist es für mich gar nicht mehr wegzudenken. So kann ich meinem Gegenüber in Wort und Schrift meinen Respekt zeigen und ohne eine geschlechtsspezifische Gewichtung die eigentlichen Themen besprechen.

Theas Familientipp: „Ich will das, was du nicht willst?“, 12.11., 15 Uhr, ab 8 J.
Karten über www.pasinger-fabrik.de


Janosch Fries

Der Schauspieler ist Ensemblemitglied der Schauburg, Theater für junges Publikum der Landeshauptstadt München. Ab Oktober leitet er das Jugendprojekt (LAB) „Fluid in Gender, crossed in dressing“, das über die ganze Spielzeit geht.

Foto: Fabian Frinzel

Wie wird das queer-Sein in der Schauburg gehandhabt?
Es spielt keine vordergründige Rolle. Ich bin allerdings im gesamten Arbeitsumfeld geoutet und habe diesbezüglich noch nie negative Erfahrungen gesammelt. Im Gegenteil, ich werde demnächst auf eigenen Wunsch hin Teil einer Inszenierung sein, die sich mit Gender-Identität und dem fluiden Spielen damit auseinandersetzen wird.

Was erwartet teilnehmende junge Menschen beim LAB „Fluid in Gender, crossed in dressing“?
Vor allem ein Safe Space, in dem sie spielerisch herausfinden können, welche verfestigten Geschlechter-Bilder und -Normen es gibt und wie befreiend es sein kann, diese performativ zu hinterfragen und zu überwinden. Wir werden dazu mit gängigen Theaterspielen und -techniken arbeiten, queere Kunstformen entdecken und viele Menschen einladen, die das LAB mit ihren Expertisen und ihrem Knowhow bereichern werden! Und natürlich werden wir unsere Arbeit am Ende der Spielzeit dem Publikum präsentieren!

Theas Herbstferientipp für alle von 13 bis 18 Jahre: 
31. Okt–4. Nov, täglich 11–16 Uhr. Danach donnerstags 18–21 Uhr. 
Infos und Anmeldung: schauburg.lab@muenchen.de


Mehdi Moradpour

Dramaturg an den Münchner Kammerspielen.

Foto: Sandra Singh

Welche Rolle spielt das Geschlecht auf der Bühne?
Das Geschlecht selbst ist eine Bühne. Wir signalisieren bewusst oder unbewusst durch unsere Kleidung, Sprechweisen und Gesten die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht. Und wir wiederholen diese Dinge, ohne über unsere Handlungen nachzudenken. Die Zeichen, die wir senden, werden von anderen aufgenommen und bewertet. Dadurch entsteht ein System, das einen logischen Zusammenhang zwischen Geschlechtskörper und Geschlechterrollen behaupten will. Dieses System versucht unseren Alltag und unser Begehren durch Regeln zu regulieren und uns vorzuschreiben, was als „normal“ gilt. Das biologische Geschlecht, aber auch die soziale, kulturelle oder psychologische Seite des Geschlechts einer Person, auch Gender genannt, spielen im Theater eine wichtige Rolle. Auf und hinter der Bühne.

Welche Klassiker sprengen Geschlechterklischees?
Die Münchner Kammerspiele zeigen mit „Nora“ und „Die Freiheit einer Frau“ zwei berührender Emanzipationsgeschichten. Eine weitere Beschäftigung mit Geschlechterfragen und feministischen Visionen folgt im Frühjahr 2023 im Rahmen des Festivals „Female Peace Palace“.

Theas Tickets für die Kammerspiele finden Sie über unseren Veranstaltungskalender


Prof. Dr. Barbara Gronau

Seit September 2022 ist Prof. Dr. Barbara Gronau Präsidentin der Theaterakademie August Everding. Damit leitet sie als erste Frau überhaupt Deutschlands größte Ausbildungsstätte für Bühnenberufe.

Foto: Marie-Laure Briane

Wie wichtig sind Geschlechterverhältnisse im Theater heute?
In jedem Theaterstück verhandeln die Figuren über Geschlechterverhältnisse ihre Identität und ihre Positionen zueinander. Die Theatergeschichte kennt beispielsweise durch Hosenrollen und Crossdressing viele fließende Übergänge zwischen den Geschlechtern. Der Kampf gegen Klischees ist aber noch nicht vorbei …

Welche Rolle spielt Sprache dabei?
Eine diskriminierungsfreie, gendergerechte Sprache ist Bestandteil unserer Unterrichts- und Arbeitskultur. Die Studierenden fordern dies zu Recht aktiv ein. Es wird von den Lehrenden und allen Mitarbeitenden bis hin zu den technischen Gewerken und der Verwaltung mitgetragen.

Was tun Sie für Geschlechtergerechtigkeit im Arbeitsumfeld?
Unsere Studiengänge werden zu über fünfzig Prozent von Frauen geleitet und wir haben umfangreiche Richtlinien gegen Machtmissbrauch und Diskriminierung. Das Aufgabenfeld bleibt jedoch weiterhin groß und reicht von der Stelle für eine*n Gleichstellungsbeauftragte*n bis hin zu All-Gender-Toiletten im ehrwürdigen Prinzregentheater.

Theas Tickets für die Akademie-Musicalproduktion "Twelfth Night" am 17. und 19.11. im Prinzregententheater